Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes
Übernahme ärztlicher Notfalldienste
Im Streitfall hatte ein selbstständiger Arzt an einem ärztlichen Notfalldienst als Vertreter für andere Ärzte teilgenommen. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Tätigkeit der Übernahme des Notfalldienstes eine Leistung darstellt, die getrennt von der Heilbehandlung zu beurteilen sei. Es handelt sich nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht um eine einheitliche Leistung mit einer Heilbehandlung. Das Finanzamt rechnete den Bruttoeinnahmen des Arztes aus dieser Tätigkeit 19 % Umsatzsteuer dazu. Der Arzt klagte dagegen – mit Erfolg!
BFH-Urteil
Der BFH teilte die Ansicht des Finanzamtes nicht und stellte die Leistungen umsatzsteuerfrei (Urteil vom 14.5.2025, XI R 24/23; veröffentlicht am 24.7.2025). Der BFH sah die Kernleistung des Arztes in der höchstpersönlichen Ausübung des ärztlichen Notfalldienstes, was einem therapeutischen Zweck dient und als Heilbehandlungsleistung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a Umsatzsteuergesetz-UStG zu betrachten ist. Nach Auffassung des BFH kommt es für die umsatzsteuerliche Beurteilung nicht darauf an, wem gegenüber die ärztliche Leistung erbracht wird, sondern dass die Ärztin bzw. der Arzt tatsächlich eine Heilbehandlungsleistung erbringt. Und die entgeltliche Übernahme ärztlicher Notfalldienste zählt als Heilbehandlung und ist damit umsatzsteuerfrei. Auf die einzelfallbezogenen regionalen organisatorischen Unterschiede betreffend die Vertretung bei Notfalldiensten durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung kommt es für die umsatzsteuerliche Beurteilung nicht an.
Blutentnahme
Umsatzsteuerpflichtige Leistungen sind hingegen gegeben bezüglich der durchgeführten Blutabnahmen für Polizeidienststellen. Diese Leistungen hatte der klagende Arzt darüber hinaus erbracht. Blutabnahmen dienen nicht einem therapeutischen Zweck, sondern der Beweiserhebung in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. In solchen Fällen können sich Ärztinnen und Ärzte jedoch im Regelfall auf die Kleinunternehmerreglung berufen.
Keine Umsatzsteuerpflicht für Präventions- und Persönlichkeitstrainer
Umsatzsteuerfreie Unterrichts- und Erziehungsleistungen
Entgegen dem nationalen Umsatzsteuerrecht enthält die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) in Artikel 132 zahlreiche Steuerbefreiungen für dem Gemeinwohl dienende Umsätze. Eine Befreiungsvorschrift – Abs. 1 Buchstabe i – stellt die Erziehung von Kindern und Jugendlichen umsatzsteuerfrei.
Präventionstrainer
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 30.4.2025, XI R 5/24) können sich auch Präventions- und Persönlichkeitstrainer auf diese Befreiungsvorschrift berufen. Im Streitfall klagte ein Steuerpflichtiger, der in Schulen Konfliktpräventionskurse für Kinder durchgeführt hat. Nach Feststellungen der Vorinstanz diente der Präventionsunterricht des Klägers der geistigen und sittlichen Entwicklung der Kinder und trug zur Willens- und Charakterbildung bei. Damit sah der BFH die Voraussetzung für umsatzsteuerfreie Leistungen des Klägers als erfüllt.
Einzelfallbetrachtung
Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung von Unterrichts- und Erziehungsleistungen sind in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Im Streitfall bietet die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eine entsprechende Rechtsgrundlage, wobei jedoch auch die Anwendung nationalen Rechts (§ 4 Nr. 23 Buchst. a Umsatzsteuergesetz) zu prüfen ist.
Verjährungsfrist 2025/2026
Rechtsgrundlage
Ärztliche Honorarforderungen unterliegen der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ist die ärztliche Honorarforderung verjährt, muss diese vom Schuldner nicht mehr bezahlt werden.
Verjährungsbeginn
Gemäß § 199 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch-BGB setzt der Beginn der Verjährungsfrist die Entstehung des Anspruchs voraus. Nach § 12 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte entsteht der Zahlungsanspruch ab Rechnungsstellung. Das heißt im Klartext, dass der Abschluss einer Behandlung noch keine Verjährungsfristen in Gang setzt.
Verjährung
Nach den genannten Rechtsgrundlagen verjähren zum Jahreswechsel 2025/2026 Honorarrechnungen an Patientinnen und Patienten, die im Lauf des Jahres 2022 erstellt und der Patientin bzw. dem Patienten zugestellt worden sind. Der Zugang ist von der betreffenden Ärztin bzw. vom betreffenden Arzt nachzuweisen.
Jahresabschluss 2025: Rückstellungen für Honorarrückforderungen
Wirtschaftlichkeitsprüfung
Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄV) sind nach §§ 106 ff des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt. Hieraus können unter bestimmten Voraussetzungen auch Honorarrückforderungen der KÄV an Vertragsärzte begründet werden. Während für Ärztinnen und Ärzte, die ihren steuerpflichtigen Gewinn nach Einnahmen-/Überschussrechnung ermitteln, hinsichtlich möglicher Rückforderungsansprüche kein Handlungsbedarf besteht, haben bilanzierungspflichtige Ärzte-Gesellschaften oder Ärztinnen und Ärzte, die freiwillig bilanzieren, entsprechende Rückstellungen in der Bilanz auszuweisen.
BFH-Urteil
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Bildung von Rückstellungen für solche ungewissen Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz ausdrücklich zugelassen (Urteil von 5.11.2014, VIII R 13/12 BStBl 2015 II S. 523). Nach Handelsrecht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch-HGB) sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört, gilt sie auch für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz-EStG).
Höhe der Rückstellung
Rückstellungen sind in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Mit anderen Worten: Die Ärztin bzw. der Arzt hat den Betrag anzusetzen, der dem voraussichtlichen Honorarrückzahlungsanspruch entspricht. Dies gilt grundsätzlich auch für die Steuerbilanz. Abweichungen können sich allenfalls durch Abzinsungen ergeben, die nach steuerrechtlichen Vorschriften erfolgen müssen, wenn die Forderung nicht sofort fällig ist. Handelsrechtlich ist die Rückstellung nicht abzuzinsen, wenn mit der Erfüllung innerhalb der Jahresfrist des § 253 Abs. 2 HGB zu rechnen ist.
Einkommensteuer 2025 minimieren
Zufluss-/Abflussprinzip
Ärztinnen und Ärzte ermitteln ihren steuerpflichtigen Gewinn im Regelfall mittels einer Einnahmen-/Überschussrechnung. Kernelement dieser Gewinnermittlungsart ist das Zufluss-/Abflussprinzip. Das heißt, dass die in 2025 getätigten Ausgaben der Ärztin bzw. des Arztes den Gewinn noch in 2025 mindern. Umgekehrt erhöhen Einnahmen im letzten Dezembermonat noch den Gewinn für 2025.
Privathonorare
Honorarrechnungen an Privatpatientinnen und -patienten, die die Ärztin bzw. der Arzt durch eine privatärztliche Verrechnungsstelle einziehen lässt, fließen dem Arzt bereits mit Eingang bei dieser Stelle zu. Der tatsächliche Zahlungseingang auf dem Konto des Arztes ist unerheblich. Ärzte müssen daher Honorarforderungen für Privatpatienten, die über eine Verrechnungsstelle eingezogen werden, in dem Wirtschaftsjahr als Betriebseinnahmen ansetzen, in dem die Rechnung bei der Verrechnungsstelle eingeht. Der steuerpflichtige Gewinn für 2025 lässt sich dadurch mindern, dass die Rechnungen aus 2025 erst Anfang 2026 an die Verrechnungsstelle gesendet werden.
Kassenabrechnungen
Hingegen gelten Arzthonorare, die die Kassenärztliche Vereinigung überweist, erst mit Überweisung auf das Konto als zugeflossen (vgl. H 11 der Einkommensteuer-Richtlinien). Das heißt: Überweist die Kassenärztliche Vereinigung das Honorar für das IV. Quartal 2025 erst im Januar 2026, muss das Honorar erst im nächsten Jahr versteuert werden. Letzteres gilt allerdings nur bedingt, wenn die Einnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung regelmäßige wiederkehrende Einnahmen darstellen. Werden solche Einnahmen kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres vereinnahmt (als kurze Zeit gilt der Zeitraum bis 10. Januar des Folgejahres), gelten diese noch im vorangegangenen Kalenderjahr als zugeflossen, zu dem sie wirtschaftlich gehören.
Aufbewahrungsfristen 2025/2026
Aufbewahrungsfristen
Zum 1.1.2025 trat das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (vom 29.10.2024 BGBl. 2024 I Nr. 32) in Kraft, welches u. a. eine neue verkürzte Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege und Rechnungen von acht Jahren enthielt. Im Übrigen gelten die bisherigen Aufbewahrungsfristen. Sofern Ärztinnen und Ärzte Bilanzen, Inventare oder Jahresabschlüsse erstellen müssen, gilt für diese Dokumente eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren.
Briefe und sonstige Praxiskorrespondenz
Empfangene und abgesendete Praxiskorrespondenz muss, soweit steuerlich von Bedeutung, mindestens sechs Jahre aufbewahrt werden. Diese Frist wurde durch das Bürokratieentlastungsgesetz nicht verkürzt.
Fristbeginn
Die steuerliche Aufbewahrungsfrist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung im Buch gemacht oder der Praxisbrief empfangen oder abgesandt worden ist (§ 147 Abs. 4 der Abgabenordnung). Demzufolge können Ärztinnen und Ärzte zum Jahreswechsel 2025/2026 Bilanzen, Inventare oder Jahresabschlüsse aus 2015 und früher, Buchungsbelege oder Honorarrechnungen aus dem Jahr 2017 und früher sowie Praxiskorrespondenz aus 2019 und früher vernichten. Ausnahmen von der Regelverjährung gelten allerdings dann, wenn die Dokumente für die Besteuerung weiterhin von Bedeutung sind.
Staatshaftung für Corona-Schäden
BGH-Urteil
Der Bundesgerichtshof-BGH hat die Revisionsklage des Patienten einer Vertragsarztpraxis zurückgewiesen und eine Schadenersatzpflicht des behandelnden Arztes für Impfschäden verneint. Die Verantwortlichkeit für etwaige Aufklärungs- und Behandlungsfehler obliegt nach BGH-Auffassung dem Staat (BGH, Urteil von 9.10.2025, III ZR 180/24).
Der Fall
Ein Patient erhielt nach zwei vorangegangenen Schutzimpfungen im Mai und Juli 2021 am 15.12.2021 in der Praxis eines Arztes eine sog. Booster-Impfung. Etwa drei Wochen später wurde bei ihm eine Herzerkrankung diagnostiziert. Der Impfgeschädigte verklagte den Arzt auf € 800.000,00 Schmerzensgeld. Die Klage blieb allerdings ohne Erfolg. Der Arzt erfüllte mit seiner Tätigkeit eine hoheitliche Aufgabe, nämlich den durch das Bundesministerium für Gesundheit als Verordnungsgeber geschaffenen Anspruch gegen den Staat auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Der BGH sah in der Tätigkeit des Arztes lediglich einen „Verwaltungshelfer“, der für die Folgen der Impfungen nicht verantwortlich war.