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Ärztenews Herbst 2023

Ärztenews Herbst 2023

(Ü1) Blutentnahmen für Alkoholtest

 

Notdienstvertretung

Ein Allgemeinmediziner, der keinen eigenen Praxisbetrieb unterhielt, übernahm die Vertretung für andere Ärzte im ärztlichen Notdienst. Er übernahm für die vertretenen Ärzte alle Tätigkeiten, einschließlich die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des übernommenen Notfalldienstes. Der Arzt rechnete entweder im Wege der Privatliquidation oder über die kassenärztliche Vereinigung ab. Von dem jeweils vertretenen Arzt erhielt er zusätzlich eine Stundenvergütung von € 20,00 bis € 40,00. Darüber hinaus führte er Blutentnahmen für Polizeibehörden gegen entsprechende Vergütung durch.

 

Umsatzsteuer

Sowohl die Vertretungsleistungen als auch die Blutentnahmen stellen umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen dar. Sie zählen nicht zu den steuerfreien Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i. S. v § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 Umsatzsteuergesetz/UStG, wie das Finanzgericht/FG entschieden hat (Urteil vom 9.5.2023, 15 K 1953/20 U).

 

Vertretungsleistungen

Vertretungsleistungen für andere Ärzte haben keinen therapeutischen Zweck und stellen daher keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar. Mit dem ärztlichen Notdienst werden nur die Voraussetzungen für das Vorhalten von Personalressourcen geschaffen, die für die Heilbehandlungsleistungen erforderlich sind. Die Steuerbefreiung von Heilbehandlungen schließt eng mit der Erbringung von Heilbehandlungsleistungen verbundene Leistungen nicht mit ein.

 

Blutentnahmen

Bei den Blutentnahmen auf polizeiliche Anordnung stehen die Beweiserhebung und die Erstattung eines Gutachtens im Vordergrund, nicht jedoch die menschliche Gesundheit, so das Gericht.

 

Revision

Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof/BFH zugelassen. Diese ist bis dato nicht eingelegt. Ärztinnen und Ärzte sollten derweil Vertretungsleistungen und dergleichen als umsatzsteuerpflichtige Leistungen betrachten und die Umsatzsteuer (Regelsteuersatz 19 %) auf ihren Honorarabrechnungen offen ausweisen.

 

(Ü1) Essen auf Rädern

 

Essen auf Rädern

Besonders ältere Menschen sind aus gesundheitlichen Gründen auf die Lieferung von Mittagessen angewiesen. Die Lieferung von Essen an diese Personengruppe rechtfertigt allerdings nicht einen Steuerabzug der Lieferkosten als außergewöhnliche Belastung, wie das Finanzgericht/FG Münster entschieden hat (Urteil vom 27.4.2023, 1 K 759/21 E).

 

Folgekosten

Das FG sieht die Aufwendungen nicht als außergewöhnlich und zwangsläufig an. Denn die Aufwendungen dienen nicht unmittelbar zur Heilung, sondern sind vielmehr als Folgekosten einer Krankheit zu werten.

 

Einschlägige BFH-Rechtsprechung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs/BFH zählen die Kosten für Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen, zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung, welche nicht nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sind (vgl. u. a. BFH, Urteil vom 4.11.2021, VI R 48/18)

 

Diätverpflegung

Das FG betonte in diesem Zusammenhang, dass auch Aufwendungen für besondere Diätverpflegung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind und diese Regelung auch verfassungsgemäß sei (vgl. BFH, Beschluss vom 9.10.2003, III B 139/02; BVerfG - Nichtannahmebeschluss vom 21.4.2005, 2 BvR 2100/03). Daher kann für Essen auf Rädern nichts anderes gelten.

 

(Ü1) Mitgliedschaft im Fitnessstudio

 

Außergewöhnliche Belastung

Der Steuergesetzgeber lässt zwangsweise entstehende größere Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen aufgrund bestimmter Umstände (vielfach Krankheit, Behinderung usw.) entstehen und bestimmte zumutbare Beträge überschreiten, als außergewöhnliche Aufwendungen zum Steuerabzug zu (§ 33 Einkommensteuergesetz/EstG)

 

Der Fall

In dem Fall, den das vorinstanzliche Niedersächsische Finanzgericht (FG) zu entscheiden hatte (Urteil vom 14.12.2022, 9 K 17/21), nahm eine Steuerpflichtige wöchentlich angebotene Funktionstrainingsstunden in Form von ärztlich verordneter Wassergymnastik in Anspruch. In dem Mitgliedschaftsbeitrag waren nicht abwählbare Nutzungsmöglichkeiten enthalten, u. a. des Saunabereichs und anderer (nicht ärztlich verordneter) Aqua-Fitnesskurse des Fitnessstudios. Das FG hat einen Steuerabzug für den Fall ausgeschlossen, dass der Mitgliedsbeitrag auch andere Leistungen des Studios mit einschließt, die auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist.

 

Reha-Verein

Das Finanzgericht hat allerdings zwangsläufig angefallene Mitgliedsbeiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio durchführt, als außergewöhnliche Belastung (Heilbehandlungskosten) anerkannt.

 

Anhängiges BFH-Verfahren

Der Bundesfinanzhof (BFH) wird in dem anhängigen Verfahren (Az. VI R 1/23) abschließend über die steuerliche Berücksichtigung der Mitgliedsbeiträge entscheiden. Im Regelfall empfiehlt es sich, für ärztlich verordnete Sportkurse einen Reha-Verein aufzusuchen.

 

 

(Ü1) Einbringung einer Arztpraxis in ein MVZ

 

Steuerneutrale Einbringung

§ 20 Umwandlungsteuergesetz/UmwStG erlaubt auf Antrag die Einbringung eines Betriebs/Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft (z. B. eine GmbH) zu Buchwerten. Beteiligt sich der Arzt an einem medizinischen Versorgungszentrum/MVZ, welches im Regelfall als Kapitalgesellschaft/GmbH firmiert, kann er nach dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich seine Praxis zu Buchwerten gegen Erhalt entsprechender GmbH-Anteile an der MVZ GmbH (Sacheinlage) einbringen. Stille Reserven sind in diesem Fall nicht zu versteuern.

 

Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung lässt allerdings in Fällen des sogenannten MVZ-Vertragsarztmodells bzw. MVZ-Mischmodells die Anwendung der o. g. Vorschrift aus dem Umwandlungssteuergesetz nicht zu (Landesamt für Steuern Niedersachsen vom 21.2.2022, S 2134a-6-St 222/St 221). Ärztinnen und Ärzte, die ihre Vertragsarztzulassung im Rahmen der Einbringung ihrer Praxis zurückbehalten, sollten sich hierauf einstellen. Es droht hier unter Umständen die Aufdeckung der stillen Reserven aus der Praxiseinrichtung mit der Einbringung in die MVZ GmbH. Die Finanzverwaltung begründet ihre ablehnende Haltung darauf, dass die Vertragsarztzulassung eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage sei. Mit der Zurückbehaltung würden folglich nicht alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die MVZ GmbH übertragen werden.

 

Rechtsprechung

Die Auffassung der Finanzverwaltung steht teilweise in Widerspruch mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs/BFH. Der BFH hat sich in einem Urteil vom 9.8.2011, VIII R 13/08, BStBl 2011 II S. 875 gegen die Qualifizierung einer Vertragsarztzulassung als immaterielles Wirtschaftsgut ausgesprochen. Nach Auffassung des BFH sei „bei dem Erwerb einer Vertragsarztpraxis“ … „im Regelfall neben dem erworbenen Praxiswert kein weiteres selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut in Form des „mit einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils' vorhanden“, so der BFH.

 

Fazit

Ärztinnen und Ärzte sollten sich bei Einbringung ihrer Praxis in eine MVZ GmbH im Rahmen des sogenannten Vertragsarzt-Mischmodells auf Diskussionen mit der Finanzverwaltung einstellen. Unproblematisch hingegen dürfte das Anstellungsmodell sein, da hier der Arzt ja zugunsten der MVZ auf seine Zulassung verzichtet.

 

(Ü1) Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem

 

Haushaltsnahe Dienstleistungen

Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen ermäßigen auf Antrag die Einkommensteuer bis zu 20 % der Aufwendungen, höchstens um € 4.000,00 (§ 35a Abs. 2 Einkommensteuergesetz/EStG).

 

Aufwendungen für Hausnotrufsystem

Streitig war bislang, ob Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistungen steuermindernd berücksichtigt werden können. Für ein Hausnotrufsystem, das im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24‑Stunden-Servicezentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG verneint (Urteil vom 15.2.2023, VI R 7/21). Begründung: Die wesentliche Dienstleistung im Rahmen des Hausnotrufvertrags, nämlich das Verständigen von Bezugspersonen, Hausarzt, Pflegedienst usw., wird nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht.

 

Hausnotruf mit aktiver Hilfeleistung

In einer früheren Entscheidung (vom 3.9.2015, VI R 18/14, BStBl. 2016 II S. 272) hat der Bundesfinanzhof/BFH hingegen die Aufwendungen für ein Notrufsystem innerhalb einer Wohnung im Rahmen des „betreuten Wohnens“ als haushaltsnahe Dienstleistungen anerkannt. Im Unterschied zu dem aktuellen Urteilsfall VI R 7/21 war in dem Betreuungsfall eine aktive Hilfeleistung rund um die Uhr vereinbart. Die in der Pflegeeinrichtung tätigen Pfleger hatten Piepser bei sich, die einen Notruf anzeigten. Sie eilten bei Bedarf auch zur Hilfe.

 

Fazit

Hinsichtlich der steuerlichen Geltendmachung der Kosten für einen Hausnotruf kommt es also auf den Einzelfall bzw. darauf an, ob der Steuerpflichtige beim Betätigen des Alarmknopfes eine physische Hilfe durch Pfleger/Sanitäter usw. erwarten kann, ob diese also zu ihm in die Wohnung kommen, oder nur Drittpersonen (z. B. ein Notarzt usw.) durch eine Hausnotrufzentrale benachrichtigt werden.

 

 

 

 

(Ü1) Private Krankenversicherungen

 

Milliardenumsätze

Ärztinnen und Ärzte erzielten in 2021 insgesamt € 6,74 Mrd. an Mehrumsatz mit Privatpatienten. Dies geht aus einer im Mai 2023 veröffentlichten Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV zum sogenannten Mehrumsatz hervor, welche im Handelsblatt veröffentlicht wurde (Ausgabe vom 16.5.2023 Seite 10). Im Schnitt betrugen die Mehreinnahmen je Praxis rund € 58.000,00. Bei Zahnärzten lag der Mehrumsatz im Schnitt bei mehr als € 61.650,00 und insgesamt bei € 2,88 Mrd. Nach der Studie stellt die PKV rund 10,5 % der Versicherten, trägt aber zu etwas mehr als 20 % der Einnahmen der niedergelassenen Ärzte bei.

 

Pläne von SPD und Grünen

SPD und Grüne planen bekanntlich eine Bürgerversicherung durch die Hintertür. Hierzu sollen die Jahresarbeitsentgeltgrenzen als auch die Beitragsbemessungsgrenzen deutlich erhöht werden. Dadurch werden mehr Arbeitnehmer krankenversicherungspflichtig. Diese müssten sich dann in der gesetzlichen Krankenversicherung/GKV pflichtversichern. Höhere Beitragsbemessungsgrenzen sollen die Sozialversicherungsbeiträge deutlich erhöhen. Dadurch soll die GKV besser finanziert werden können. Diese Maßnahmen würden gemäß der Studie zu einer deutlichen Reduzierung der Mehreinnahmen für Ärztinnen und Ärzte führen.

 

 

 

(Ü1) Posttraumatische Belastungsstörungen

 

Wie-Berufskrankheit

Berufskrankheiten sind stets solche Krankheiten, die als solche bezeichnet sind und erkrankte Patienten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Berufskrankheiten werden in einer entsprechenden Rechtsverordnung festgelegt. Krankheiten, die nicht in der Rechtsverordnung enthalten sind, für diese jedoch nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit gegeben sind, sind von den Unfallversicherungsträgern wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen (§ 9 Abs. 2 Siebtes Sozialgesetzbuch SGB VII).

 

BSG-Urteil

Im Streitfall klagte ein Rettungssanitäter auf Anerkennung posttraumatischer Belastungsstörungen als Berufskrankheit. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass solche Störungen als „Wie-Berufskrankheit“ anzuerkennen sind (Urteil vom 22.6.2023, B 2 U 11/20 R). Rettungssanitäter sind während ihrer Arbeitszeit einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt. Diese Einwirkungen sind generell nach dem Stand der Wissenschaft Ursache einer posttraumatischen Belastungsstörung, so das BSG.