(N) Intensivpflegeleistungen
Umsatzsteuerfreie Heilbehandlung
Heilbehandlungsleistungen
Heilbehandlungsleistungen der Ärztinnen und Ärzte stellen umsatzsteuerfreie Leistungen dar (§ 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 Umsatzsteuergesetz/UStG). Strittig war bisher, ob Intensivpflegeleistungen einer GmbH in Krankenhäusern unter diese Befreiungsvorschrift fallen. Der Bundesfinanzhof/BFH hat dies jetzt bejaht (Urteil vom 21.4.2021, XI R 12/19).
Arztähnliche Leistung
Bei der im Streitfall allein durch den GmbH-Geschäftsführer – einem examinierten Kranken- und Intensivpfleger – ausgeführten Leistung handelt es sich um „arztähnliche Leistungen“, welche dem Gesamtbild der Heilbehandlungsleistungen entsprechen, soweit sie zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die vom Krankenpfleger als umsatzsteuerfrei deklarierten Umsätze eben nicht steuerfrei wären. Dies, obwohl die Finanzverwaltung in Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses bei Krankenpflegern stets von steuerfreien Umsätzen ausgeht.
Fazit
Die Umsatzsteuerbefreiung von Tätigkeiten der Angehörigen aus den arztähnlichen Leistungsbildern sollte im Einzelfall genau geprüft werden. Die Finanzverwaltung knüpft die Beurteilung u. a. daran, ob die entsprechende arztähnliche Leistung von den Sozialversicherungsträgern finanziert wird und für die Ausübung der Leistung ein geeigneter beruflicher Befähigungsnachweis erbracht werden kann. Der BFH hat in dem betreffenden Urteil auch entschieden, dass steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nicht auf die sogenannte Kleinunternehmer-Umsatzgrenze (§ 19 Abs. 3 UStG, Umsatzgrenze = € 22.000,00) anzurechnen sind. Diese Erkenntnis kann u. a. dann vorteilhaft sein, wenn eine GmbH (wie im Streitfall) neben den Pflegeleistungen auch weitere umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausübt.
Stand: 2.2.2022
(N) Elektronischer Heilberufsausweis
Aufwendungen kein steuerpflichtiger Arbeitslohn
Heilberufsausweis
Bei dem elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) handelt es sich um eine Chipkarte, mit der sich Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen ausweisen können. Mit diesem Ausweis können auch elektronische Dokumente, beispielsweise Ärztebriefe, rechtssicher signiert und verschlüsselt werden. Hinweise zur Beantragung hält die Bundesärztekammer auf ihrer Homepage bereit (www.bundes-aerztekammer.de).
Steuerliche Behandlung
Trägt der Arbeitgeber die Kosten zur Erlangung des Ausweises, liegt in der Übernahme der Kosten kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sehen die Übernahme solcher Aufwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers (vgl. Finanzministerium Thüringen vom 1.3.2021, S 2332 - A - 21.14).
Telematikzuschlag § 291a SGB V
Ebenfalls keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn stellt die Pauschalvergütung dar, welche in Heilberufen tätige Arbeitnehmer nach § 291a Abs. 7a Fünftes Sozialgesetzbuch (SGV V) von ihrem Arbeitgeber erhalten.
Stand: 2.2.2022
(S) Fernbehandlung
Zulässige Werbemaßnahmen
Der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für eine ärztliche Fernbehandlung per App geworben werden darf (Urteil vom 9.12.2021, I ZR 146/20). Im Streitfall offerierte ein privater Krankenversicherungsanbieter Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen per App. Die Leistungen wurden von in der Schweiz ansässigen Ärzten durchgeführt. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah hierin einen Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach dem Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (§ 9 HWG).
BGH-Entscheidung
Der BGH gab der Klage statt und sah in der beanstandeten Werbung einen Verstoß gegen das HWG an. Nach Auffassung des BGH erfordern die beworbenen Leistungen die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und sind nicht im Rahmen einer Videosprechstunde möglich. Onlinebehandlungen über Kommunikationsapps würden nur in Fällen, in denen nach anerkannten Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem behandelnden Menschen nicht erforderlich ist, möglich sein.
Ausländisches Berufsrecht unerheblich
Der BGH betonte in seiner Urteilsbegründung, dass es im konkreten Fall nicht darauf ankommt, dass Ärzten in der Schweiz eine Fernbehandlung schon seit Jahren erlaubt ist.
Stand: 2.2.2022
(N) Praxisaufgabe
Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes
Außerordentliche Einkünfte
Die Aufgabe einer Arztpraxis oder das Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis führt im Regelfall zu einem nicht unerheblichen Veräußerungsgewinn. Für diesen Gewinn können Ärztinnen und Ärzte eine Versteuerung zum ermäßigten Steuersatz beantragen (§ 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz/EStG). Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 %. Beantragen können Ärztinnen und Ärzte die ermäßigte Besteuerung, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben.
Einmalige Inanspruchnahme
Die ermäßigte Besteuerung kann darüber hinaus nur einmal im Leben beansprucht werden. Dies gilt auch – wie der Bundesfinanzhof/BFH entschieden hat – wenn das Finanzamt die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat (Urteil vom 28.9.2021, VIII R 2/19).
Der Fall
Im Streitfall schied ein Arzt aus einer Gemeinschaftspraxis aus und erzielte einen begünstigten Veräußerungsgewinn von € 1 Mio. Darüber hinaus erhielt er von der Kassenärztlichen Vereinigung eine Sonderzahlung von rund € 80.000,00. Der Arzt erklärte diese Einnahmen entsprechend. Eine Gewährung des ermäßigten Steuersatzes wurde für diese Sonderzahlung nicht beantragt. Das Finanzamt ging allerdings – fehlerhaft – davon aus, dass es sich bei der Sonderzahlung um einen anteiligen Veräußerungsgewinn handelt, und wendete den ermäßigten Steuersatz an. Der steuerliche Vorteil betrug lediglich € 8.000,00.
Fazit
Die einmalig nutzbare Vorzugsbesteuerung für Veräußerungs-gewinne ist auch dann verbraucht, wenn diese ohne Antrag des Steuerpflichtigen erfolgt ist. Unerheblich ist, ob es sich bei den begünstigten Einkünften tatsächlich um einen Veräußerungsgewinn handelt. Etwas anderes würde nach Treu und Glauben nur dann gelten, wenn die rechtsirrige Gewährung der Steuervergünstigung wegen des Fehlens eines Hinweises des Finanzamtes nicht erkennbar war. Der Fehler des Finanzamts ging damit voll zu Lasten des Arztes. Dieser musste den Veräußerungsgewinn von € 1 Mio. aus der Praxisveräußerung voll versteuern.
Stand: 2.2.2022
(S) Aufwendungen für Liposuktion
Außergewöhnliche Belastung
Aufwendungen für Liposuktion können nach gegenwärtigem Rechtsstand nur dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden, wenn der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung geführt werden kann (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f Einkommensteuer-Durchführungsverordnung/EStDV). Eine die Zwangsläufigkeit begründende Nachweispflicht gilt für sämtliche wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden. Ob die Liposuktion eine solche wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode ist oder nicht, ist umstritten.
Nachweiserfordernis
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.8.2021, 5 K 1321/20) erkannte mangels gültiger Nachweise Aufwendungen in Höhe von rund € 50.000,00 nicht als außergewöhnliche Belastung an. Das FG hatte sich u. a. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berufen, nach dieser eine Liposuktion keine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode sei und ein entsprechender Nachweis zwingend sei. Die nach der EStDV erforderlichen Nachweise können auch nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden, wie das FG betonte.
Revisionsverfahren
Betroffene Steuerpflichtige, die die Nachweiserfordernisse nicht erfüllen, sollten sich dennoch nicht mit der gegenwärtigen FG-Rechtsprechung begnügen. Entsprechende Steuerbescheide sollten angefochten werden unter Berufung auf das anhängige Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof/BFH (Az. VI R 18/21). Der BFH wird in dem Verfahren auch zu entscheiden haben, ob die Liposuktion als wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlung anzusehen ist. Letzteres ist Voraussetzung für eine notwendige vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer Bescheinigung des Medizinischen Dienstes.
Stand: 2.2.2022
(N) Elektronische AU-Bescheinigung
Rechtsgrundlage
Bereits in 2019 wurden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (vom 6.5.2019, BGBl 2019 I S. 646) die rechtlichen Rahmenbedingungen für die elektronische Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die jeweils zuständige Krankenkasse geschaffen („e-AU-Verfahren“). Die Einführung war ursprünglich bereits zum 1.1.2021 geplant, wurde dann aber auf 2022 verschoben.
Pilotphase 2022
Das erste Halbjahr 2022 steht Ärztinnen und Ärzten aktuell als Pilotphase zur Verfügung. Das heißt, dass bis zum 30.6.2022 die Versicherten zunächst weiterhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform erhalten, die an den jeweiligen Arbeitgeber zu übermitteln ist. Unabhängig davon können Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsdaten ihrer Mitarbeiter bereits vor dem 1.7.2022 bei der Krankenkasse elektronisch anfragen. Ab dem 1.7.2022 erhält der Arbeitgeber keine Papier-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr und muss die Daten abrufen.
Notwendiges EDV-System
Die Anfrage der Arbeitnehmerdaten bei der Krankenkasse setzt ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungsprogramm oder systemuntersuchtes Zeiterfassungssystem voraus. Das e-AU-Verfahren kann auch über systemgeprüfte Ausfüllhilfen der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt werden.
Stand: 2.2.2022
(N) Haarwurzeltransplantation
Voraussetzungen für Umsatzsteuerbefreiung
Therapeutische Zielsetzung
Bei Haarwurzeltransplantationen zur Behandlung einer androgenetischen oder hereditären Alopezie handelt es sich nicht um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung, wie das Finanzgericht (FG) Düsseldorf im Urteil vom 16.6.2021, 5 K 2710/17 U festgestellt hat. Eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung liegt nur bei einer narbigen Alopezie vor. Das FG begründet seine Entscheidung mit dem Erfordernis einer therapeutischen Zielsetzung für die entsprechende Maßnahme. Eine solche würde bei ästhetischen Operationen und Behandlungen nicht vorliegen. Geklagt hat ein Facharzt für Chirurgie, der sich auf die Behandlung von Haarausfall spezialisiert hat.
Weder Heilung noch Behandlung
Eine Haarwurzeltransplantation dient nach Auffassung des FG weder der Heilung noch der Behandlung der Ursachen einer androgenetischen Alopezie. Der Streitfall geht allerdings in die nächste Runde. Gegen das FG-Urteil wurde Revision eingelegt. Das Verfahren wird beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Az. XI R 17/21 geführt.
Stand: 2.2.2022